Hans Jörg Diehl: Marketing für betriebswirtschaftliche Standardanwendungssoftware.

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Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit war es, die Gründe für die hohe Nachfragerunsicherheit im Markt für betriebswirtschaftliche Standardanwendungssoftware theoretisch und empirisch zu analysieren und Lösungen zu entwickeln, die in der Lage sind, diese zu reduzieren.
Ausgangspunkt war die Feststellung, daß bislang lediglich umfassende Untersuchungen zu den technologischen Systembindungseffekten und zur Vermarktung von Standardsoftware allgemein vorlagen. Ansätze speziell für die Vermarktung betriebswirtschaftlicher Standardanwendungssoftware und zur Reduktion von Unsicherheiten, die aufgrund von spezifischen Investitionen, organisationalem Wandel und Vertragsproblemen entstehen, lagen bisher nicht vor.
Die Vermarktung betriebswirtschaftlicher Standardanwendungssoftware geschieht im Rahmen des industriellen Systemgeschäfts. Hierzu liegen bereits einige theoretisch fundierte Arbeiten vor, die die Systembindungseffekte als zentrale Problematik kennzeichnen.
Im Rahmen einer transaktionsk
ostentheoretischen Betrachtung konnte die hohe Faktorspezifität des Nachfragers als weiteres konstituierendes Merkmal des Systemgeschäfts identifiziert werden. Die Faktorspezifität führt zu hohen ökonomischen Bindungen, die auf die endogene Unsicherheit des Kunden wirken, insbesondere da keine Möglichkeit besteht, sie durch langfristige Geschäftsbeziehungen, wie im Zuliefergeschäft, abzusichern. Die hohe Spezifität des Nachfragers entsteht durch die Implementierung der Software. Sie bedingt i. d. R. einen hohen organisationalen Wandel, der den Aufbau eines spezifischen Humankapitals und einer Implementierungsspezifität verlangt. Erst durch die Implementierung bindet sich der Kunde an den Anbieter bzw. das System.
Ziel des Marketing muß es sein, das wahrgenommene Risiko des Nachfragers zu reduzieren. Die traditionellen Instrumente der Risikolehre sind im Markt für betriebswirtschaftliche Standardanwendungssoftware nur unzureichend geeignet, diesem Anspruch gerecht zu werden. Es wurde festgestellt, daß das Unsicherheitsempfinden nur dann reduziert werden kann, wenn der Nachfrager keine hohen spezifischen Investitionen tätigen muß und durch glaubhafte Zusicherungen des Anbieters in der Lage ist, eine ausreichende Gegenposition aufzubauen. Um dies zu erreichen, wurde ein Ansatz entwickelt, der ein Beziehungsdreieck zwischen Softwarehersteller, Softwarenachfrager und einem Implementierungsdienstleister beschreibt. Dieser Ansatz basiert auf der Idee der dreiseitigen Kontrolle in der Institutionenökonomie. Anders als dort stellt der externe Dritte, der Implementierungsdienstleister, kein neutrales Schiedsgericht oder ähnliches dar, der nur im Konfliktfall eingeschaltet wird, sondern einen Implementierungsspezialisten, der eine höhere Problemlösungskompetenz besitzt als der Hersteller bzw. Kunde. Durch ihn kann der Anbieter dem Kunden glaubhafte Erfolgszusicherungen geben und gleichzeitig den Aufbau einer hohen Humankapital- und Implementierungsspezifität beim Kunden reduzieren. Die Geschäftsbeziehung zwischen allen drei Marktakteuren wird durch die strategische Kontrolle abgesichert, d. h. alle drei Marktpartner sind gegenseitig durch ein gemeinsames Interesse am Implementierungserfolg
abgesichert. Die Möglichkeiten eines Marktakteurs, sich opportunistisch zu verhalten, sind durch das gemeinsame Auftreten der beiden anderen stark reduziert bzw. ausgeschlossen.
In einer empirischen Untersuchung konnten diese theoretisch fundierten Überlegungen weitgehend gestützt werden. Die Höhe der Nachfragerunsicherheit konnte empirisch auf die Höhe der Implementierungsspezifität, Humankapitalspezifität, des Nachverhandlungsbedarfs (nach Vertragsschluß), der Implementierungskosten, Schulungskosten und Kosten für weitere im Zuge der Implementierung notwendige Softwareprogramme (wie Betriebssysteme) zurückgeführt werden. Es zeigte sich auch, daß eine effiziente Zusammenarbeit im wesentlichen abhängt von der Bereitschaft des Anbieters, eventuell auftretende Vertragsprobleme nachträglich im Sinne des Kunden zu lösen.
Die Analyse ergab, daß die Einschaltung eines Implementierungsdienstleisters für die Kunden von entscheidender Relevanz sein kann. Er übernimmt wichtige Dienstleistungen, die während der Implementierung nachgefragt werden. Die Kunden unterstellen ihm die notwendige Implementierungskompetenz, die notwendig ist, um ihre unternehmensindividuellen Probleme bei der Softwareeinführung zu lösen. Es ergibt sich eine eindeutige Aufgabenteilung zwischen Softwarehersteller, Implementierungsdienstleister und Kunde. Jeder trägt mit seinen Kernkompetenzen dazu bei, den Erfolg einer Implementierung sicherzustellen. Dabei soll der Dienstleister weder Softwarehersteller noch neutraler unabhängiger Dritter sein, sondern vielmehr ein strategischer Kooperationspartner des Softwareherstellers. Eine stabile strategische Partnerschaft zwischen Softwarehersteller und Implementierungsdienstleistern bietet dem Kunden die gewünschte vollständige Problemlösung und hilft so dem Hersteller, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die im theoretischen Teil entwickelte stabile Dreiecks-Geschäftsbeziehung, scheint tatsächlich ein geeigneter Ansatz zu sein, die Unsicherheit des Nachfragers nachhaltig zu reduzieren.
Die Arbeit identifizierte vier Marktsegmente aufgrund des Unsicherheitsempfindens der Nachfrager. Für alle vier Segmente wurde ein individuelles Dienstleistungsangebot entworfen, so daß Implementierungsdienstleister und Softwarehersteller in der Lage sind, die spezifischen Bedürfnisse der Nachfrager zu befriedigen. Es konnten somit konkrete, auf die Marketinginstrumente Distributionspolitik und Produkt- bzw. Leistungspolitik bezogene Empfehlungen für Anbieter betriebswirtschaftlicher Standardanwendungssoftware abgeleitet werden. Damit ist exemplarisch ein wichtiges Ziel zur Reduktion von Nachfragerunsicherheiten im Systemgeschäft erreicht worden.
Die hier entwickelten Modelle und empirisch erhobenen Ergebnisse bieten eine Grundlage zur weiteren Analyse. Es sollte Aufgabe der weiteren Forschung sein, die explorativ und deskriptiv erhaltenen Ergebnisse konfirmatorisch zu überprüfen und evtl. durch Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Theorien (z. B. organisationales Beschaffungsverhalten und Interaktionsansätze) zu erweitern. Auch wäre zu überprüfen, ob die Ergebnisse für andere Vermarktungsobjekte des Systemgeschäfts zutreffen. Hier könnte insbesondere die Einbeziehung der bereits erwähnten Untersuchungen zu Systembindungseffekten, vor allem von BEINLICH, REINKEMEIER und BACKHAUS/ AUFDERHEIDE/ SPÄTH, interessante Ergebnisse liefern. Schließlich ist anzumerken, daß sich diese Arbeit im wesentlichen mit den Vermarktungsproblemen bis zum Produktivstart beschäftigt. Es wäre zu prüfen, gerade im Hinblick auf die zunehmende sukzessive Einführung einer Softwarebibliothek im Rahmen des Continuous System Engineering, inwieweit nach dem Produktivstart Unsicherheiten bestehen bleiben und welche Marketinginstrumente und –strategien geeignet sind diese zu reduzieren.

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